Liebe Freunde und Interessierte der Andreas Tobias Kind Stiftung,
jetzt ist er da, der "richtige" Herbst! Zumindest in Norddeutschland hat er uns nun nach herrlich milden Sonnentagen mit seinem Schmuddelwetter eingeholt - es bleibt also Zeit für einen gemütlichen Tee, die Couch und unseren Newsletter!
Vor kurzem feierten wir mit einigen von Ihnen unseren jährlichen Stiftungstag in Hamburg. Vielen Dank für den ereignisreichen Tag im Rudolf Steiner Haus Hamburg, der bei uns noch lange positiv nachklang! Für alle, die nicht dabei waren, haben wir ein paar Impressionen der Veranstaltung zusammengestellt.
Ein Jahr zuvor stellte sich das Zentrum für Bewegte Kunst (ZBK) mit seinem inklusiven Circus Sonnenstich aus Berlin auf unserem Stiftungstag auf besonders dynamische Weise vor. Seither ist unsere Stiftung Fan und Förderer des vielseitigen Ensembles. Wir berichten, was das Team zur Zeit bewegt: vom Jubiläumspogramm "Wabi-Sabi" über das Weiterbildungsangebot IN.CIRQUE bis hin zum Ziel der Gestaltung von Arbeitsplätzen für Artist*innen mit Down-Syndrom.
Auf ganz andere Art künstlerisch engagiert hat sich Prof. Dr. Jan Sonntag, der ebenfalls ehemaliger Geförderter unserer Stiftung ist. An der Medical School Hamburg leitet er den Schwerpunkt Musik im Bachelorstudiengang "Expressive Arts in Social Transformation". Seit zwei Jahren betreut er verschiedene Kunstprojekte seiner Studierenden mit geflüchteten Kindern und Erwachsenen in Hamburger Erstaufnahmen. Im ausführlichen Projektbericht erfahren Sie mehr darüber.
Unter der Rubrik "Im Gespräch mit ..." tauschen wir uns mit Prof. Karin Holzwarth aus. Als Musiktherapeutin, Professorin an der Hochschule für Musik und Theater sowie Leitung des Fachbereichs Musiktherapie und Inklusion der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg berichtet sie über die Bedeutung von Musiktherapie in pädagogischen Kontexten sowie in der Arbeit mit Geflüchteten. Zudem sprechen wir über die Jubiläumstagung des Bundesweiten Arbeitskreises Musiktherapie an Musikschulen (BAMMS) am 11.11., zu der aktuell noch Plätze frei sind (mehr Infos zur Veranstaltung und Anmeldung hier)!
An dieser Stelle nochmals ein Hinweis für Sie: Wenn auch Sie sich musiktherapeutisch in der Flüchtlingshilfe engagieren, bitten wir Sie, Ihre Projektdarstellungen beim Forum Migration der Musiktherapeutischen Umschau einzusenden. Zudem möchten wir Sie auf das Informationsportal des Musikinformationszentrums aufmerksam machen - auch hier wird das Angebot an musikalischen Projekten und Initiativen im Bereich der Flüchtlingshilfe gebündelt und die Möglichkeit zum Austausch geboten.
Wir freuen uns, wenn Sie sich mit uns engagieren und wünschen Ihnen einen bunten Herbst!
Beste Grüße
Ihr Team der Andreas Tobias Kind Stiftung
Britta Johannesson - Hannah Ott
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Erfüllt können wir zurückblicken!
Bunte Luftballons und groß gerahmte Bilder des Projekts "Persönliche Zukunftsplanung" schmückten unseren Saal im Rudolf Steiner Haus und ließen ihn ganz besonders fröhlich und freundlich erscheinen (Bild oben, die folgenden Bilder zeigen die unten beschriebenen Szenen v. r. n. l.). Die verschiedenfarbigen Ballon-Pärchen standen sinnbildlich für die bunten Beziehungen, die sich während des gemeinsamen Zukunft-Planens zwischen den Planenden mit Behinderung und ihren Partnern ohne Behinderung gebildet haben. Die beiden Projektleitungen Anke Brammen (Hermann Jülich Werkgemeinschaft e.V., Hamfelde) und Prof. Dr. Christiane Drechsler (Alanus Hochschule, Mannheim) legten den Fokus ihres Abschlussberichtes u.a. auf die erfolgreiche Sozialraumentwicklung, die während des Projektes fast nebenbei gestaltet wurde. Prof. Drechsler kam gerade frisch von ihrer Japanreise zurück, wo sie das Projekt vor ebenfalls interessiertem Publikum vorstellte. Wird es Persönliche Zukunftsplanung bald auch in Japan geben? Wir sind begeistert über den internationalen Erfolg des Projektes, das im Kleinen beginnend - der Beziehung zweier Menschen zueinander - Großes bewirken kann.
Drei weitere Vorträge unserer geladenen Antragsstellerinnen bereicherten unseren Fachtag:
Friederike Frenzel (Universität Hildesheim/Center of World Music, Hildesheim) präsentierte ihr Dissertationsvorhaben "Musiktherapie bei Menschen mit Demenz und Migrationshintergrund", wobei es um die Gestaltung eines Therapiekonzeptes sowie um die Erstellung einer Onlineplattform mit Hörbeispielen von Musikern mit Migrationshintergrund gehen soll. Ihren Vortrag untermalte Frenzel stimmungsvoll mit Gitarre und Gesang.
Sabine Rachl (Westfälische Wilhelms-Universität, Münster; UdK Berlin) schilderte uns ihr Vorhaben der Entwicklung und Evaluation eines Weiterbildungskonzeptes für Musiktherapeuten in palliativen Kontexten. Zur Einstimmung lud sie uns feinfühlig auf eine Reise zu unseren ganz persönlichen Erfahrungen mit Tod und Sterben ein.
Christina Niedermann (Universität Witten/Herdecke) stellte uns ihr Dissertationsthema "Die Bedeutung von Gartengestaltung für die Erfassung mentaler Gesundheit" vor. Lässt die Art, wie ich meinen Garten gestalte, Rückschlüsse auf meine mentale Verfassung ziehen? Ein interessanter Gedanke, an den eine lebhafte Diskussion anknüpfte.
Wir möchten uns ganz herzlich bei den engagierten Referentinnen bedanken, die mit den Präsentationen ihrer Projekt- und Forschungsvorhaben unserem Stiftungstag einen wesentlichen Impuls geben und ihn damit zu dem machen, was ihn ausmacht: produktiver Austausch, rege Diskussionen und die Förderung spannender Gedanken, Ideen und Visionen!
Unser Gesellschafter Dr. Götz Kaschubowski begeisterte uns schließlich mit seinen Gedanken zur Heilpädagogik im Zeitalter inklusiven Denkens, wobei er auch die Biografie unseres Stifters Hellmut Kind zitierte. Nach seiner Überzeugung wird bald eine Zeit anbrechen, in der das Wort Inklusion ganz und gar überflüssig sein wird. Sein mitreißender Vortrag erntete viel Applaus, und ein herzliches "Bravo" von Andreas Tobias Kind.
In guter Tradition dirigierte Andreas Tobias Kind die gemeinsam gesungenen Herbstlieder, mit denen dieser wunderbare Stiftungstag seinen Abschluss fand - Danke, Andreas!
Ebenfalls ein herzliches Danke für Ihr Dabei-Sein, Ihr Zuhören und Mitdiskutieren, intensive Pausengespräche, Klönschnack bei Borschtsch und Keksen und vieles mehr ... Falls Sie dieses Jahr nicht mit uns feiern konnten, bauen wir auf Ihr Kommen im nächsten September. Das genaue Datum teilen wir Ihnen in Kürze auf unserer Website und im kommenden Newsletter mit.
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einzigARTig - 20 Jahre Circus Sonnenstich
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Seit ihrer schwungvollen Präsentation auf unserem Stiftungstag 2016 ist der inklusive Circus Sonnenstich des Zentrums für bewegte Kunst (ZBK) in Berlin eines unserer Förderprojekte. Im kommenden Jahr feiert der Circus unter der Leitung von Michael Pigl-Andrees sein 20. Jubiläum. Neben dem Einstudieren einer neuen Geburtstagsshow engagiert sich das Team auch in puncto Weiterbildung und der Entwicklung von pädagogisch-künstlerischen Arbeitsplätzen für Assistenztrainer*innen mit Behinderung.
Wabi-Sabi
... heißt die neue Show des Circus Sonnenstich, für die Anna-Katharina Andrees Regie führt. Gemeinsam mit Gastkünstler*innen geht es in Wabi-Sabi - orientiert am gleichnamigen japanischen Ästhetik-Konzept - um das Entdecken von Schönheit im Schlichten und Unvollkommenen. In der Show werden Artistik- und Tanzelemente mit Sounds und Live-Musik untermalt. Die erste Preview hat bereits stattgefunden, die zweite folgt am 18.03.2018 beim Circus Berlin. Premiere wird am 02./03.06.2018 im Admiralspalast Berlin gefeiert. Mehr Infos zur Show finden Sie hier.
IN.CIRQUE: Weiterbildung inklusionsorientierte Zirkuspädagogik
Im April 2018 startet das ZBK einen dritten Durchgang der berufsbegleitenden IN.CIRQUE-Weiterbildung für eine inklusionsorientierte Zirkuskunst. Die Weiterbildung richtet sich an Künstler*innen und Pädagog*innen, die auf individuelle Weise mit Menschen arbeiten und ein Zirkusprogramm gestalten wollen. Besonders an IN.CIRQUE: Auch das das Weiterbildungsteam ist inklusiv. Artist*innen des Circus Sonnenstich arbeiten als Coaches für Zirkus- und Bewegungskünste (weitere Infos: www.zbk-berlin.de/ weiterbildung).
Aus der Arbeit der Menschen mit Behinderung als Trainer ergibt sich ein weiteres Ziel des ZBK ...
Die Entwicklung von pädagogisch-künstlerischen Arbeitsplätzen für Menschen mit Down-Syndrom
Seit 2014 führt das ZBK Seminare durch, in denen die Sonnenstich-Artist*innen mit Down-Syndrom stufenweise an eine Tätigkeit als Assistenztrainer*innen herangeführt werden. Ein wichtiger Schritt in Richtung Zukunft gelang im vergangenen Jahr, indem nach langen Vorarbeiten ein erster Arbeitsplatz für Jannic Golm, Artist mit Down-Syndrom, eingerichtet werden konnte. In Anschluss an ein Praktikum ist der 26-jährige seit September 2016 fester Mitarbeiter als Künstler und Assistenztrainer im ZBK. Jannic Golm wurde im Rahmen des ZBK-Projektes „1-jährige berufsbegleitende Weiterbildung Inklusive Zirkuspädagogik“ (gefördert vom Innovationsfonds kulturelle Bildung/Inklusion des BMfSFJ) als Assistenz-Trainer geschult.
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Das Niendorf-Projekt - eine Kunstwerkstatt für geflüchtete Kinder
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Von April 2016 bis Juli 2017 führten Studierende des Studiengangs "Expressive Arts in Social Transformation" der MSH Medical School Hamburg ein künstlerisches Projekt in einer Flüchtlings-Wohnunterkunft in Hamburg- Niendorf durch. Unter Supervision ihres Dozenten Prof. Dr. Jan Sonntag bot das studentische Team wöchentlich eine intermediale Kunstwerkstatt an, die hauptsächlich von Kindern im Grundschulalter genutzt wurde. Das künstlerische Angebot wurde in hohem Maße von den internationalen Teilnehmenden der Werkstatt mitbestimmt. Interkultureller Austausch, individueller Ausdruck und der Erwerb sozialer Kompetenzen gehörten zu den Zielsetzungen des Angebots. Finanziert wurde das Projekt durch eine Spende des Kinderladens Rombergstraße e.V. in Hamburg-Eimsbüttel. Mehr erfahren Sie im Projektbericht der Studierenden.
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Im Gespräch mit ... Prof. Karin Holzwarth
Prof. Karin Holzwarth ist Diplom-Musiktherapeutin, Heilpraktikerin für Psychotherapie (HPG), Diplom-Musikpädagogin und freischaffende Musikerin. Sie leitet die Bereiche Musiktherapie und Inklusion an der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg (JMS), publiziert und hält Vorträge. Seit diesem Wintersemester hat sie an der Hochschule für Musik und Theater (HfMT) in Hamburg eine Professur für Musiktherapie inne. Unsere Stiftung freut sich sehr über den Austausch mit der überaus engagierten Netzwerkerin.
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Liebe Frau Prof. Holzwarth, aus Ihrem Lebenslauf lässt sich schnell ablesen, dass Ihr Herz für die Musik schlägt. Nach Ihren Studien in Rhythmik und Musiktherapie in Hamburg und Österreich sind Sie seit mittlerweile 21 Jahren als Musiktherapeutin in Psychosomatik, Neurologie, der Behindertenarbeit, der Kinder- und Jugendpsychotherapie und im Kinderhospiz tätig. Können Sie uns sagen, wie es dazu kam bzw. welche Motivation hinter Ihrem Wirken steckt?
KH: Bereits zum Ende meiner Schulzeit wurde mir bewusst, dass sich etwas in mir bewegt und verändert, wenn ich Musik mache, dass diese Tätigkeit etwas mit mir macht und hier ein Potential verborgen ist, dem ich auf die Spur kommen wollte. Ich habe mich dann auf intensive Selbstbeforschung eingelassen in mehreren Studiengängen mit hohem Selbsterfahrungsanteil, aber auch sehr vielen spielerischen Elementen. Diese Verbindung der Erfahrung mit Erkenntnis und Wissenszuwachs ist eine reiche Quelle.
Diesen Herbst wurden Sie an das Hamburger Institut für Musiktherapie berufen – zunächst herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Professur! Ist es Ihnen trotz der Lehrpläne möglich, aus der eben beschriebenen Quelle zu schöpfen, also theoretische Wissensvermittlung und praktisches Erleben zu verknüpfen?
KH: Zu meiner großen Freude unterrichte ich die Studierenden in den Fächern Bewegung und Musik/ Psychodynamic Movement und therapeutische Improvisation mit dem Fokus auf das Beziehungsgeschehen. In beiden Gebieten ist es möglich, sehr nah am Erleben verortet zu arbeiten. Auch profitiere ich hier ungemein von der intensiven Bewegungsschulung und Körperarbeit meines ersten Studiums, welche ich mit meinem musiktherapeutischen Wissen verknüpfen und einbringen kann.
Mein drittes Fach betrifft die Berufsfelderkundung und das Begleitseminar zu den studienimmanenten Praktika. Hier bringe ich meine langjährige Netzwerkarbeit mit Kolleginnen und Kollegen im Hamburger und Norddeutschen Raum ein.
Seit 2011 leiten Sie bereits den Fachbereich Musiktherapie und Inklusion der Staatlichen Jugendmusikschule Hamburg. Welche Themen sind für Sie hier von aktueller Bedeutung? Welche Herausforderungen haben Sie im Alltag zu meistern?
KH: Es ist gut zu erleben, dass therapeutische Unterstützung im pädagogischen Kontext immer mehr zum Selbstverständnis wird. Vor 15 Jahren sah dies in Hamburg noch ganz anders aus. Dennoch ist die Ressourcenfrage eine große Belastung. Dass in den Schulen, mit denen wir kooperieren, häufig ein wesentliches Angebot ein anderes verdrängen muss, sich Schulleitungen beispielsweise zwischen Sport oder Musik entscheiden, stellt uns immer wieder vor große Herausforderungen.
Eine andere Herausforderung war es, vor zwei Jahren musiktherapeutische und musikpädagogische Angebote für die Kinder und Jugendlichen in den Hamburger Erstaufnahmen für Geflüchtete zu konzipieren und Kolleg/innen aus der Jugendmusikschule auf diese Arbeit vorzubereiten und bei der Umsetzung zu begleiten. Das ist bis heute eine sehr berührende und intensive Aufgabe.
Sie sind aktives Mitglied des BAMMS, dem Bundesweiten Arbeitskreis Musiktherapie an Musikschulen, der dieses Jahr sein 15-jähriges Jubiläum in Mannheim feiert. Was steht auf der Jubiläumstagung am 11.11.2017 auf dem Programm?
KH: Auf unserer Tagung am 11.11. werden wir die Fülle und die Vielfalt feiern, mit der Musiktherapie an Musikschulen heute aufgestellt ist: Es gibt Praxisberichte aus musiktherapeutischen Kooperationen mit Werkstätten für Menschen mit Behinderungen, Seniorenheimen, Schulen, Kindergärten und Erstaufnahmen für Geflüchtete. Kolleginnen berichten außerdem von ersten Ergebnissen ihrer supervisorischen Tätigkeit für das Kollegium an einer Musikschule.
Natürlich darf ein Rückblick auf die Historie von BAMMS nicht fehlen. Zentral sind aber auch die Präsentation einer Berufsfeldanalyse Musiktherapie an Musikschulen aus diesem Frühjahr und der Vortrag zu aktuellen Chancen und Aufgaben der Musiktherapie im Umfeld Musikschule.
Was kann und soll Musiktherapie an öffentlichen Musikschulen Ihrer Meinung nach bewirken? Wo gibt es Handlungsbedarf und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
KH: Öffentliche Musikschulen verbinden ihren Bildungsauftrag und ihren künstlerischen Auftrag. Die Musiktherapie ergänzt dieses Feld um den Auftrag aus dem Gesundheitswesen. Sie trägt ihr klinisches und psychotherapeutisches Wissen von emotionalem und psychischem Befinden, von der Beziehungsfähigkeit und der Psychodynamik von Gruppenprozessen in das Gefüge der Musikschule hinein. Dieses Wissen ist von grundlegendem Wert, um Entwicklungskonflikte und Lernblockaden zu erfassen und diesen im schulischen Alltag zu begegnen.
Ich wünsche mir daher, dass in Deutschland das Selbstverständnis, therapeutische Unterstützung in die schulische Lebenswelt hineinzutragen noch weiter wächst. Ein Vorbild sind dabei Norwegen und England. Musiktherapie eignet sich in diesem Zusammenhang besonders, da der künstlerisch kreative Zugang effektiv und lustvoll Handlungskompetenzen erweitert, das Sozialverhalten unterstützt und den Selbstwert stärkt.
Herzlichen Dank für das Interview!
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