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Liebe Freunde und Interessierte der Andreas Tobias Kind Stiftung,
Die Stare gehen auf die Reise.
Altweibersommer weht im Wind.
Das ist ein Abschied laut und leise.
Die Karussells drehn sich im Kreise.
Und was vorüber schien, beginnt.
Aus "September" von Erich Kästner
Es ist wieder Herbst. Selbst der Corona-Virus kann den Jahreszeitenwechsel nicht aufhalten ... Und auch unsere kleine Stiftung hat sich nicht stoppen lassen in ihrem Rhythmus und diesen September ihren Stiftungstag in Hamburg veranstaltet. Natürlich mit Abstand, Maske und Co. Doch das hat der stimmungsvollen Atmosphäre spannenderweise kaum einen Abbruch getan. Wir ließen uns anstecken von der Begeisterung, die unsere Geförderten in ihren Studien, ihrer alltäglichen Arbeit, ihren Praktika, ihrer Musik an den Tag legen.
Genau diese Hingabe für das eigene Tun, die eigene Profession - und insbesondere für die Patienten - ist es, die auch unseren Beirat Prof. Dr. Lutz Neugebauer antreibt, wenn er sich seit fast zehn Jahren für gesicherte Berufsaussichten für gut ausgebildete Musiktherapeut*innen engagiert. Im Interview spricht er mit uns über den sogenannten "Wittener Prozess", der Anfang Oktober mit Expert*innen aller Künstlerischen Therapieformen in die zweite Runde ging.
Die Vernetzung von Kunst und Wissenschaft bereits unter Auszubildenden, Studierenden und jungen Nachwuchswissenschafltern zu bestärken, ist das Ziel unserer Stipendiatin Christina Niedermann. Sie lädt gemeinsam mit dem Team der Studentischen Initiative Kunst der Erfahrung Ende November zum gleichnamigen Kongress ebenfalls nach Witten ein.
Zwei spannende Studien unserer Geförderten Susanne Korn und Oliver Paul haben es zudem in unseren aktuellen Newsletter geschafft - eine noch am Anfang stehend, die andere gerade druckfrisch erschienen: In Wenn der Spielraum verloren geht berichtet Herr Paul von Eltern geistig behinderter Kinder und dem kurativen Potential der Musiktherapie. Susanne Korn forscht in ihrem Promotionsprojekt zum Effekt von Musiktherapie mit Behandlungsmonochord auf Stress.
Wenig Stress, eine möglichst entspannte Herbstzeit trotz aller widriger Umstände, das wünschen wir Ihnen sehr!
Passen Sie auch weiterhin gut auf sich auf!
Beste Grüße
Ihr Team der Andreas Tobias Kind Stiftung
Britta Johannesson - Hannah Ott
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Der Stiftungstag 2020
Zu unserer Freude analog und stimmungsvoll in Hamburg
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Lange hatten wir überlegt, ob wir den Stiftungstag in diesem außergewöhnlichen Jahr stattfinden lassen könnten. Groß war die Sorge, dass aufgrund der Corona-Regelungen die Begegnungen nur allzu distanziert ausfallen und viele Teilnehmer*innen fern bleiben könnten. Doch wir hatten uns schließlich dafür entscheiden, Sie auch in diesem Jahr nach Hamburg einzuladen. Und tatsächlich sind wir sehr glücklich darüber. Denn unserem Erleben nach war der Stiftungstag in diesem "Corona"-Jahr ein ganz besonderer, in feierlicher Stimmung mit außergewöhnlichen Referent*innen und musikalischen Highlights. Vielleicht auch, weil wir es in dieser unbeständigen Zeit ganz besonders schätzen, mit gleichgesinnten Menschen (in respektvollem Abstand) zusammenkommen, uns austauschen und inspirieren lassen zu können.
Eine ganz wunderbare musikalische Einstimmung bereitete uns unser Stipendiat, Violinist und angehende Musiktherapeut Mahmoud Said gemeinsam mit Jaafar Daoud, der ihn auf der arabischen Trommel Riq begleitete: Auf eindrucksvolle Weise präsentierten sie uns Paganinis Caprice No. 24, umgeschrieben in die arabischen Tonleiter 'Maqams'.
Der sehr lebendige Vortrag der Musiktherapeutin Lucina Akintaya führte uns anschließend vor Augen, welch wichtige und vielseitige Funktionen Musiktherapeut*innen auf der Frühgeborenenstation im Louis Armstrong Center of Music and Medicine in New York einnehmen. Frau Akintaya hatte dort im vergangenen Jahr als Praktikantin mit Unterstützung unserer Stiftung umfangreiche Erfahrungen sammeln können, welche sie zukünftig auch in Deutschland einbringen möchte.
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In der Präsentation ihrer innovativen Studie "Musiktherapie im Rahmen der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT)" berichtete unsere Stipendiatin Irina Simonet von ihrer disziplinübergreifenden Forschung zur Kombination verschiedener Therapieformen. U.a. innnerhalb von Therapiesitzungen mit Boderline-Patient*innen überprüft sie, inwiefern Musiktherapie eine sinnvolle Ergänzung bspw. des Skillstrainings der DBT sein kann.
Ins Staunen versetzte uns auch der Vortrag unserer Geförderten Dorothea Dülberg: Seit mehreren Jahren begibt sich die Musiktherapeutin auf die Spuren von Helen Lindquist Bonny, recherchierte sowohl in Kanada als auch in den USA und spürte dabei ehemalige Weggefährt*innen der Musiktherapie-Pionierin auf. In ihrer Studie legt Frau Dülberg den Fokus auf die Biografie und die sozialen Umstände Lindquist Bonnys, um die Forschungsergebnisse der Amerikanerin präzise einordnen zu können.
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Den abschließenden Vortrag hielt Stefan Peter: Neben seiner Arbeit als Heilpädagoge an einem Schulheim in West-Österreich studiert unser Stipendiat Musiktherapie an der Kunstuniversität Graz. Auf überaus kreative Art und Weise baut er in seiner Arbeit einfachste Instrumente in die Kommunikation mit Kindern mit Schwerst-Mehrfach-Behinderung ein und ermöglicht ihnen so u.a. mehr Teilhabe und Mitbestimmung im Alltag.
Das Einzige, was wir in diesem Jahr vermissten, war unser Abschlussritual – das gemeinsame Singen mit Andreas Tobias musste Corona-bedingt leider ausfallen. Doch das holen wir hoffentlich im kommenden Jahr zusammen mit Ihnen lautstark nach! Ein Datum hierfür steht bereits fest: Der Stiftungstag 2021 wird am 9. Oktober stattfinden. Sie sind wie immer herzlich eingeladen!
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Im Gespräch mit ... Prof. Dr. Lutz Neugebauer
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Als Vorsitzender der Deutschen Musiktherapeutischen Gesellschaft (DMtG) hat unser Beirat Prof. Dr. Lutz Neugebauer Ende September gemeinsam mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Künstlerischer Therapien (BAG KT) zu einem Expertensymposium nach Witten eingeladen. Über drei gemeinsame Forderungen, zähe Verhandlungen mit ‘der Politik‘ und was ihn persönlich bei der Stange hält, berichtet Lutz Neugebauer im Interview.
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Am 25. und 26. September 2020 trafen sich 21 Expert*innen aus den Bereichen künstlerisch-therapeutische Praxis, Berufspolitik, Hochschule, Aus- und Weiterbildung u.a. in Witten sowie digital. Ziel war es, eine einheitliche Vorgehensweise zu vereinbaren, wie sich die Künstlerischen Therapien bezüglich berufspolitischer und berufsrechtlicher Fragen zukünftig positionieren. Das Treffen schloss an ein erstes Expertensymposium für Musiktherapeuten im Jahr 2015 in Witten an.
Lieber Lutz, Corona-bedingt wurde das Symposium vom Frühjahr in den Herbst verschoben, fand teils vor Ort in Witten, teil als Live-Schalte statt. In nur zwei Tagen sollte durch die Teilnehmenden u.a. eine Petition erstellt werden, um zügig in politische Gespräche gehen zu können. Welche Strategie wurde gewählt, um diese Herausforderung in solch kurzer Zeit zu meistern?
LN: Es gab eine Vorbereitungsgruppe für das Treffen, und nachdem es im Frühjahr abgesagt werden musste, haben wir uns innerhalb dieser Gruppe intensiv weiter mit den Inhalten und konkreten Zielen des Symposiums befasst. Zudem haben wir uns einen Berater an die Seite geholt, der uns sehr gut in diesem Prozess begleitet hat. Auch sehr hilfreich war, dass wir per Video-Konferenz schnell und unkompliziert Menschen hinzuschalten konnten. So gab es beispielsweise vorab bereits Einzelgespräche mit Vertreter*innen der jeweiligen Verbände. Eine Woche vor der Tagung haben wir die Teilnehmer*innen mithilfe eines Online-Vortrags auf die Tagung eingestimmt. Zudem gab es einen daran anknüpfenden Vortrag innerhalb der Tagung. All dies hat ein effizientes Arbeiten schließlich gut möglich gemacht.
In der Einführungspräsentation sprachst du von der Entwicklung eines Thesenpapiers mit Forderungen, die die Vertreter*innen Künstlerischer Therapien gemeinsam an die politischen Gremien richten wollen. Kannst du uns bereits Einblick in die Ergebnisse geben?
LN: Innerhalb des Symposiums haben wir uns darauf geeinigt, eine Petition mit insgesamt drei Forderungen aufzustellen, auf die wir uns alle verständigen können. Das oberste Ziel ist für uns dabei die Sicherheit der Patient*innen. Inzwischen ist hierzu eine Presserklärung herausgeschickt worden und erste Gespräche sind terminiert. Die Petition umfasst folgende Aussagen:
1. Wir erwarten vom Gesetzgeber eine staatliche Anerkennung der Künstlerischen Therapien. Wir brauchen eine gesetzliche Regelung für Künstlerische Therapien, um Patient*innen vor Menschen zu schützen, die ohne fundierte Ausbildung als Musik-, Kunst- oder Tanz-, Eurythmie- oder Theatertherapeuten arbeiten. Welche Ausbildungsanteile eine solide Ausbildung umfasst, wurde ebenfalls diskutiert und intern an Verbände und Ausbildungsinstitutionen kommuniziert.
2. Wir treffen alle Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Studium, Weiterbildung, Fortbildung und Berufsausübung. Wie bei den Ärzten die Zuständigkeit für die Qualitätssicherung ihres Berufs in den Ärztekammern liegt, wollen wir, dass die Zuständigkeit für Fortbildungs- und Weiterbildungsangebote im Bereich der Künstlerischen Therapien in die BAG KT bzw. in die jeweiligen Fachverbände delegiert wird. So könnte der Gesetzgeber sicherstellen, dass Patienten stets auf höchstem Niveau behandelt werden.
3. Wir fordern vom Gemeinsamen Bundesausschuss den Zugang der Künstlerischen Therapien zu allen Sektoren des Gesundheitswesens. Bislang sind Künstlerische Therapeut*innen hauptsächlich im stationären Bereich vertreten. Wir wollen zukünftig auch in der Ambulanz und der präventiven Versorgung präsent sein. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist die Rücknahme des Ausschlusses der Musik- und Tanztherapie aus der Heilmittelrichtlinie.
Ein wichtige Forderung in der beschlossenen Petition ist somit die Abgrenzung der Berufsgruppe Künstlerische Therapien zu anderen künstlerischen bzw. therapeutischen Tätigkeiten. Im Sinne gesetzlicher Regelungen sind Künstlerische Therapeuten weder Psychotherapeuten, noch Heilmittelerbringer. Wie können sich die Künstlerischen Therapien hier einordnen bzw. definieren?
LN: Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen hat 2019 innerhalb eines Gutachtens zur Wirkung von Musiktherapie bei Krebs eine sehr passende Formulierung gewählt: Musiktherapie wird hier beschrieben als „eigene, weder dem ärztlichen noch dem pflegerischen Bereich angehörende Berufsgruppe, die bei regulären Einsatz dem jeweiligen Setting im Gesundheitswesen gewissermaßen eine neue Profession hinzufügt, mit entsprechenden berufsrechtlichen, berufsethischen und organisatorischen Anforderungen sowie einem höheren Potential zur zwischenberuflichen Interaktion und zum Austausch“. Diese Formulierung haben wir ausgeweitet auf die Künstlerischen Therapien und uns als „neue Profession“ definiert, die einer gesetzlichen Regelung bedarf. Wesentlich ist hier klarzustellen, dass wir weder Psychotherapeuten, noch Heilmittelerbringer im Sinne der aktuellen gesetzlichen Regelungen sind. Heilmittelerbringer sind streng definiert als Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten, Hebammen und Podologen. Künstlerische Therapien tauchen hier nicht auf. Dadurch ist auch der Ausschluss als Heilmittelerbringer unsachgemäß, weil wir gar nicht zu den Berufsgruppen gehören, die in der Heilmittelrichtlinie gesetzlich geregelt sind.
Wichtig, um als Berufsgruppe der Künstlerischen Therapien von politischer Seite anerkannt zu werden, ist natürlich auch, eine Ausbildungsordnung für die verschiedenen Künstlerischen Therapien zu verabschieden. Hier hat tatsächlich das Treffen von 2015 – der sogenannte „Wittener Prozess“ – eine enorme Vorarbeit geleistet: Die Vertreter*innen sowohl privatrechtlicher als auch staatlicher Musiktherapie-Ausbildungen konnten wichtige Erfahrungen miteinbringen und im aktuellen Treffen die anderen Kolleg*innen mitnehmen. Mehr ...
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Kongress "Kunst der Erfahrung" vom 27. - 29.11.2020
Christina Niedermann berichtet über eine interdisziplinäre Forschungswerkstatt der Psychologie und der Künste
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Bereits Ende des vergangenen Jahres haben wir an dieser Stelle über das von der Kind Stiftung geförderte Vernetzungsprojekt Vernetzung und Kompetenzerwerb unter Studierenden Künstlerischer Therapien informiert. Unser Anliegen ist es, einen Raum als Austauschplattform vor allem für Auszubildende, Studierende und junge Nachwuchswissenschaftler*innen künstlerischer, künstlerisch-therapeutischer und psychologischer Bereiche anzubieten. Über den Jahreswechsel ist ein vielseitiges Programm für einen dreitägigen Kongress entstanden, den wir im Sommer 2020 mit viel Elan veranstalten wollten. Die Entwicklungen der immer noch aktuellen Corona-Pandemie haben die Veranstaltung jedoch unmöglich gemacht. Viele Kongressveranstaltende sind diesen Sommer daher auf digitale Formate umgestiegen. Diesem Trend wollten wir nicht folgen, da wir vor allem bei den künstlerischen Tagungsformaten den Eindruck haben, dass sich Kontakt in einem Präsenz-Raum verstärkt entfalten kann. Es folgte für uns also eine Phase der Kontemplation, die unsere Kongressidee nun mit noch viel stärkerem Engagement und einem größeren Vorbereitungsteam wachsen und gedeihen ließ:
"Kunst der Erfahrung" findet vom 27. - 29. November 2020 in Witten an der Universität Witten/Herdecke und dem Unikat statt.
Wir freuen uns auf zahlreiche Anmeldungen. Weitere Informationen sowie die Anmeldung sind zu finden auf www.uni-wh.de/kunstdererfahrung.
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"Wenn der Spielraum verloren geht"
Eine Veröffentlichung von Oliver Paul zum Belastungserleben von Eltern geistig behinderter Kinder und zum kurativen Potential der Musiktherapie
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Wenn Eltern mit der Diagnose einer Behinderung ihres Kindes konfrontiert werden, kann ihnen mit einem Schlag ihr ganzer Spielraum entrissen werden. Spielraum, dem Kind mit positiven Gefühlen zu begegnen. Spielraum, eine optimistische Zukunftsperspektive zu entwickeln. Und nicht zuletzt auch Spielraum, um frei und unbelastet mit dem Kind zu spielen.
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Mit Unterstützung der Andreas Tobias Kind Stiftung habe ich von 2015 bis 2018 ein Forschungsprojekt zum Belastungserleben und zur Behinderungs-verarbeitung von Eltern geistig behinderter Kinder sowie zum kurativen Potential der Musiktherapie durchgeführt. Das Forschungsprojekt wurde von Frau Prof. Dr. Rosemarie Tüpker an der Universität Münster betreut. Die Ergebnisse mündeten in meiner Dissertation, die im Juli 2020 im Reichert Verlag veröffentlicht wurde.
In der Dissertation habe ich 37 qualitative Interviews mit betroffenen Müttern und Vätern untersucht und dabei herausgearbeitet, welches Leid mit dem Behinderungstrauma in den Familien Einzug gehalten hat. Im Fokus stand dabei auch die Frage, wie es den betroffenen Eltern gelungen ist, ihr individuelles Trauma zu verarbeiten und zu bewältigen. Mit den Kindern aus den Familien habe ich parallel dazu Musiktherapien durchgeführt, um die Auswirkungen der elterlichen Behinderungsverarbeitung weiter zu untersuchen: Steht besonders belasteten Kindern auch in der Musiktherapie weniger Spielraum zur Verfügung?
In der übergreifenden Auswertung beider Untersuchungen konnten deutliche Anhaltspunkte gefunden werden, die einen Zusammenhang zwischen dem Behinderungstrauma der Eltern und dem Spielraum an Entwicklungs-möglichkeiten ihres Kindes erkennen lassen. Eltern mit Auflösung ihrer Traumatisierung berichten deutlich häufiger von responsiven und feinfühligen Spielsituationen. Ohne Auflösung beschreiben Eltern hingegen erheblich öfter, Förder- und Lernspiele mit ihrem Kind zu spielen, womit sie unbewusst gegen die Traumatisierung durch die Behinderungsdiagnose anarbeiten.
Auch in der Musiktherapie spiegeln sich diese Zusammenhänge zwischen dem Auflösungsstatus der Eltern und dem Spiel der Kinder wider. Mit Auflösung des elterlichen Behinderungstraumas finden Gespräche und Spielgestaltungen der Kinder in der Musiktherapie in einem überwiegend ausgeglichenen Verhältnis statt. Demgegenüber interagieren und kommunizieren Kinder von Eltern ohne Auflösung weniger dialogisch. Es gelingt dennoch in fast allen Musiktherapien, einen kreativen Spielfluss aufzubauen und einen gemeinsamen Spielraum geteilter Spielfreude zu entwickeln. In der Dissertation werden schließlich die methodischen Elemente untersucht und beschrieben, mit denen Spielraum in diesem Sinne entdeckt und zurückerobert werden konnte.
Oliver Paul (2020): Wenn der Spielraum verloren geht. Zum Belastungserleben von Eltern geistig behinderter Kinder und zum kurativen Potential der Musiktherapie. Wiesbaden: Dr. Ludwig Reichert Verlag, 453 Seiten, 49,00 Euro.
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Die ERMS-Studie
Musiktherapeutin Susanne Korn berichtet über ihr Promotionsprojekt zum Effekt von Musiktherapie mit Behandlungsmonochord auf Stress
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Die ERMS-Studie ist ein laufendes Promotionsprojekt an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) in Zusammenarbeit mit dem Wiener Zentrum für Musiktherapie-Forschung (WZMF), den Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel (UPK) und der Universität Basel. Innerhalb der Studie wird die Möglichkeit untersucht, den „Effekt rezeptiver Musiktherapie mit Behandlungsmonochord auf Stress“ mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRI) abzubilden und in eine randomisiert, plazebokontrollierte Doppelblindstudie mit gesunden Probanden aus dem Bereich der klinischen Gesundheitsberufe zu überführen.
Das Projekt nimmt seinen Ursprung in der Beobachtung klinischer Therapieverläufe und dem gehäuft auftretenden Phänomen, dass Klienten mit akuten Symptomen klinisch relevanter Störungsbilder, wie z.B. rezidivierenden Depressionen, Arbeitsstresserkrankungen, PTBS oder auch Persönlichkeitsstörungen, oft nicht in der Lage sind, therapeutische Prozesse kognitiv zu verarbeiten. Ausschlaggebend hierfür ist, dass sich in der akuten Phase Spannungs- bzw. „Arousalzustände“ negativ auf die Leistungsfähigkeit neuronaler Netzwerke, hier die „höheren kognitiven Funktionen“, auswirken. Somit stellt „Stress“ nicht nur einen Risikofaktor für das Auftreten psychischer Erkrankungen dar, sondern nimmt darüber hinaus negativen Einfluss auf den Genesungsprozess.
Dass die rezeptive bzw. vibroakustische musiktherapeutische Behandlung mit dem Monochord Einfluss auf das Stresserleben nimmt, zeigen bereits vielfältige Therapieberichte, Fallstudien und Forschungsprojekte auf (vgl. z.B. das von der Kind Stiftung unterstützte Promotionsprojekt von Anja Schäfer). Ein prinzipielles Dilemma der Musiktherapieforschung bleibt aber bestehen: Die Heterogenität der Schulen und Behandlungskonzeptionen, die Unterschiede der Einbindung in klinische Kontexte sowie der oft beschränkte Zugang zu Forschungsmöglichkeiten stehen beispielhaft für Faktoren, die die Gewinnung generalisierbarer Forschungsergebnisse, wie sie für eine Anerkennung der Musiktherapie innerhalb der „Evidenzbasierten Medizin“ notwendig wären, behindern. So wurde vorliegendes Projekt im Sinne einer Grundlagenforschung konzipiert: durch reduzierte Untersuchungsvariablen und die Einhaltung der Kriterien evidenzbasierter medizinischer Forschung soll die Wiederholbarkeit – und damit die Kumulation generierter Untersuchungsergebnisse – gefördert werden.
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Die Andreas Tobias Kind Stiftung unterstützt dieses Projekt mit der Finanzierung der Entwicklung und des Baus eines „scanner-gängigen“ Behandlungsmonochords – meinen herzlichsten Dank dafür an dieser Stelle. Hierfür wurde in Zusammenarbeit mit der Klangwerkstatt Bernhard Deutz, auf Grundlage der von ihm entwickelten Körpertambura, ein Körpermonochord erstellt, welches ausschließlich mit nichtmagnetischen bzw. nur minimal restmagnetischen Materialien ausgestattet ist, und über einen integrierten Anschluss für den zum Scanner gehörigen Luftschlauchkopfhörer verfügt.
Da die verfügbaren theoretischen Grundlagen bis zu diesem Punkt bereits ausgeschöpft wurden, erfolgt nun in einem nächsten Schritt die initiale Erprobung des Instruments im Scanner, um das Resonanz-, Schwingungs- und Klangverhalten im Magnetfeld zu testen und das Instrument inklusive Zubehör entsprechend der Erkenntnisse weiter zu adaptieren. Weitere Informationen zum Projektverlauf folgen zu gegebener Zeit.
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