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Liebe Freunde und Interessierte der Andreas Tobias Kind Stiftung,
für viele beginnt in diesen Tagen und Wochen eine wohlverdiente Sommerpause: endlich Zeit, um ausgiebig in der Hängematte zu baumeln ... vielleicht ja mit dem neuesten Musiktherapie-Podcast auf den Ohren?!
Unsere Geförderte Verena Hopfner stellt Ihnen in unserem Newsletter einen kurzweiligen Wissenschaftspodcast rund um aktuelle Forschungsergebnisse vor. Nicht nur für Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten lohnt es sich, einfach mal reinzuhören.
Auch wer lieber liest, findet in unserem Newsletter Anregung: Mit Unterstützung der Kind Stiftung stellte die Musiktherapeutin Christiane Trost eine Aufsatzsammlung zum vielfältigen Einsatz monochromer Saiteninstrumente zusammen. Dabei hebt die Arbeit insbesondere eines heraus: Die Fähigkeit der Klänge, eine Verbindung zu sich selbst und zur Welt wiederzufinden.
Ebenso in den folgenden beiden Förderprojekten liegt der Fokus auf der Beziehungsebene: Da die Mechanismen der therapeutischen Beziehung zwischen Probandin bzw. Proband und Therapeutin bzw. Therapeut bislang nur wenig erforscht wurden, widmet sich unsere Stipendiatin Diandra Russo diesem Thema in ihrer Doktorarbeit.
Als gegenseitigen Erschließungsprozess beschreibt unsere Geförderte Prof. Christiane Drechsler ihre Musiktherapie-Forschung im Praxisprojekt "Musiktherapie mit Menschen mit komplexen Behinderungen" in den Ahrensburger Hermann-Jülich-Werkgemeinschaften. Die Musiktherapie soll den Probandinnen und Probanden ermöglichen, auf ganz eigene Art und Weise miteinander in Beziehung zu gehen.
Wir sind immer wieder glücklich über die bereichernden Ideen zu Praxisprojekten und Forschungsarbeiten, die uns unsere Antragsteller:innen jährlich im April schicken. Ein paar der Bewerber:innen und Stipendiat:innen werden ihre Projekte und Arbeiten auf unserem öffentlichen Stiftungstag im Herbst vorstellen. Wir freuen uns, wenn Sie sich diesen Tag in ihrem Kalender vormerken und gerne auch ihren Freundinnen und Freunden und Bekannten davon erzählen.
SAVE THE DATE: Öffentlicher Stiftungstag 2023
am Samstag, 23. September 2023, im Rudolf Steiner Haus Hamburg
Eine Einladung mit Programm folgt.
Bis dahin schicken wir herzliche Grüße, genießen Sie den Sommer!
Ihr Team der Andreas Tobias Kind Stiftung
Britta Johannesson - Hannah Ott
Wir machen Pause vom 28. Juli bis zum 25. August 2022. Ab dem 28. August 2022 sind wir im Stiftungsbüro wieder für Sie erreichbar.
Foto im Header: muse studio/shutterstock
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Musiktherapie Science - ein Wissenschaftspodcast, nicht nur für Musiktherapeutinnen und Musiktherapeuten
Bericht von Verena Hopfner
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Vor dem Hintergrund der zunehmenden Forderung nach evidenzbasierten Vorgehen in der Patient:innenversorgung wurde im Rahmen der Forschungsarbeit „Evidenzbasierte Musiktherapie in deutschsprachigen Ländern“ ein Wissenschaftspodcast für Musiktherapeut:innen entwickelt. Ziel ist es, den Zugang zu aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Musiktherapieforschung für Praktiker:innen zu erleichtern.
Der Podcast „Musiktherapie Science“ ist seit Januar 2022 veröffentlicht und wird seither finanziell von der Andreas-Tobias-Kind Stiftung gefördert. Im Fokus steht der Diskurs mit Wissenschaftler- und Kliniker:innen. Aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Musiktherapie-Forschung und aus angrenzenden Wissenschaftsdisziplinen werden den Hörer:innen verständlich aufbereitet präsentiert.
In den bereits erschienenen Folgen werden vielfältige Themen evidenzbasierter Musiktherapie besprochen: Von der Verankerung der Musiktherapie in medizinischen Leitlinien bis hin zu musikbasierten diagnostischen Möglichkeiten von Autismus-Spektrum-Störung bei Erwachsenen. In der neuesten Folge wird Prof. Dr. Alexander Wormit von seinem Forschungsprojekt „Musiktherapie in der geriatrischen Pflege“ berichten.
Der Podcast kann über alle gängigen Streamingplatformen (Spotify etc.) oder direkt über den Link weiter unten aufgerufen werden.
Kontakt: Verena Hopfner (B.A. Musiktherapie, M. Sc. Therapiewissenschaft); Musiktherapie.Science@Mailbox.org
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Aufsatzsammlung zu monochromen Saiteninstrumenten
Projektbericht von Christiane Trost
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Mit Unterstützung der Andreas Tobias Kind Stiftung stellte ich in den letzten Monaten eine Aufsatzsammlung zu monochromen Saiteninstrumenten zusammen. Dabei inspirierten mich meine langjährigen positiven therapeutischen Erfahrungen mit dem Klang dieser Instrumente. Die aus meiner Sicht spärliche Literatur zu diesem Thema bewog mich bereits zu meinem ersten Forschungsprojekt „Die Klangliege in der musiktherapeutischen Einzelarbeit“, erschienen bei Reichert 2021. Zudem ist zu beobachten, dass Körpertambura, Monochord und Klangliege einen wachsenden Raum in der Heilbehandlung von Menschen einnehmen.
Bei der Aufsatzsammlung habe ich mich bemüht, eine Vielfalt von musiktherapeutischem Erfahrungswissen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zusammenzutragen. Mir war es wichtig, neben wissenschaftlichen Studien auch Texte zu veröffentlichen, die gut lesbar sind und der Leserin bzw. dem Leser Beispiele des Klangerlebens geben.
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Meine Hauptmotivation für dieses Projekt war allerdings von grundlegender Art. Wir leben in einer Zeit zunehmender psychischer Krankheiten in der Bevölkerung mit einem steigenden Anteil an strukturellen Ich-Störungen. Diese tiefergehenden intrapsychischen Beeinträchtigungen der Persönlichkeitsentwicklung und Entfremdung des Selbst bestimmen die psychotherapeutische Arbeit. Die daraus resultierende zunehmende Bedeutung der Musiktherapie im Behandlungssetting wundert nicht. Mit ihrer Ausrichtung auf Beziehung und emotionales Gewahrwerden berührt sie etwas Grundlegendes.
Die Arbeit mit Klängen kann Wandlung unterstützen, kann Menschen wieder in Beziehung zu sich, zu ihrem Selbst bringen und sie spüren lassen, dass es eine Verbundenheit im umfassenden Sinn gibt. Das ist der wichtige spirituelle Anteil dieser Arbeit, den ich immer wieder erlebe: Abgetrenntsein aufzuheben.
Kontakt: Christiane Trost (MA Musiktherapie, Lehrmusiktherapeutin, Zertif. DMtG Psychotherapiepraxis/HP, Körpertherapeutin, Yogalehrerin); klaviertrost@web.de
Fotos: Christiane Trost
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"Moment's Notice" - die Mechanismen der therapeutischen Beziehung
Promotionsbericht von Diandra Russo
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„Moment’s Notice“ ist einer meiner liebsten Jazz Standards von John Coltrane und nun auch der Arbeitstitel meines Promotionsvorhabens. Dank der großzügigen Unterstützung der Andreas Tobias Kind Stiftung werde ich im kommenden Herbst an der Aalborg University in Dänemark meinen Weg zur PhD antreten.
Die Idee für meine Dissertation hat ihre Wurzeln in einer monozentrischen Mixed-Methods-Studie mit dem Titel "Untersuchung der Wirkung von Monochord-Klängen auf die Stressregulation von gesunden Erwachsenen" an der Zürcher Hochschule der Künste am Institute for Music Research. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin bin ich an der Konzeption, Gestaltung und Planung dieser Studie beteiligt. Im Zentrum dieses Grundlagenforschungsprojekts steht die Frage, ob und wie Monochordklänge physiologische Parameter der Stressregulation und die subjektive Wahrnehmung der gesunden Proband:innen (n=62) beeinflussen.
Unser interdisziplinäres Forschungsteam besteht aus sechs Fachleuten aus verschiedenen Bereichen. Dank diesem breiten Fachwissen haben wir die Möglichkeit, die Thematik aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Im Einklang mit dieser interdisziplinären Herangehensweise möchte ich mich meiner Doktorarbeit widmen und einem Thema nachgehen, dass mich seit Jahren interessiert: Die Mechanismen der therapeutischen Beziehung. Diese wurden im Bereich der rezeptiven Musiktherapie bislang nur wenig erforscht. Von besonderem Interesse sind die physiologischen Synchronisationsmomente zwischen Proband:innen und Therapeut:in, sowie das subjektive Erleben der wahrgenommenen Verbundenheit.
Kontakt: Diandra Russo (Bachelor of Music in Music Therapy, Co-Leiterin Musiktherapie im Department Musik der Zürcher Hochschule der Künste); diandra.russo@zhdk.ch
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Musikgestützte Kommunikation mit Menschen mit komplexen Behinderungen in den Hermann-Jülich-Werkgemeinschaften
Projektbericht von Christiane Drechsler
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Musik in ihrer therapeutischen Wirksamkeit auf die menschliche Seele wird seit Jahrhunderten geschätzt und angewandt. In unserem Projekt erfährt der therapeutische Prozess noch eine Erweiterung: Er soll dazu dienen,
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musikalische Elemente zum Zweck der Kommunikation gemeinsam mit Menschen mit komplexen Behinderungen zu nutzen.Die Entwicklung eines Systems musikalischer Kommunikation findet seit November 2020 unter fachlicher Leitung der Musiktherapeutin Aino Löwenmark, aber auch unter wesentlicher Beteiligung dreier Menschen mit komplexer Behinderung statt. Das Projekt wurde durch die pädagogische Leiterin der Hermann-Jülich-Werkgemeinschaften, Anke Brammen, am Standort Wulfsdorf in Ahrensburg nördlich von Hamburg initiiert. Dort leben und arbeiten Menschen mit Behinderungen inmitten einer Dorfgemeinschaft von 700 Menschen. Die wissenschaftliche Begleitung obliegt dem Lehrgebiet Heilpädagogik der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft am Standort Mannheim.
In den folgenden Jahren wurden verschiedene musikalische Kommunikationsformen angeboten und geprüft, wie diese drei unterschiedlichen Adepten (aus dem Griechischen für: eingeweihte Schüler) miteinander kommunizieren. Entstehen musikalische Ausdrucksformen ohne Worte? Ist eine Kommunikation möglich? Was tragen die Adepten aus dem eigenen Impuls heraus zu einer Kommunikation bei? Das besondere Anliegen der Musiktherapeutin war und ist, den individuellen Raum jedes Einzelnen zu stärken und zugleich den einzelnen Persönlichkeiten in der Gruppe Raum zur Entfaltung anzubieten.
Der Ablauf der Sitzungen gestaltet sich jedes Mal gleich: zunächst bekommt jede Adept bzw. jeder Adept zehn Minuten Zeit allein mit der Musiktherapeutin, dann wird mit den drei Adepten gemeinsam gearbeitet. Die Sitzung beginnt immer mit dem gleichen Klavierstück, einer auf einfachen Harmonien aufgebauten Improvisation der Musiktherapeutin. Dieses Stück birgt eine Vielzahl von Variationsmöglichkeiten: es ist in verschiedenen Tonhöhen und Tempi ebenso zu spielen wie in unterschiedlichen Laustärken und rhythmischen Variationen. In der Einzelarbeit reagiert die Musiktherapeutin noch auf die subtilste Äußerung des Adepten und verwandelt diese in Musik. Die Arbeit mit den Einzelnen mündet dann in eine Gruppensituation, in der versucht wird, die musikalisch wirksamen Äußerungen der Adepten zu einem kommunikativen System zu ordnen. In dieser Situation gelingt es, alle beteiligten Personen in einen interaktiven Prozess zu bekommen, in dessen Verlauf jede und jeder Gebender und Nehmende sein kann.
Evaluiert wird dieser Prozess mit Hilfe der derzeit am Institut neu entwickelten phänomenologischen Forschungsmethode der Wahrnehmungsvignetten. Dabei wird ein Moment aus der Situation heraus, der unerwartet ist und ein „Staunen“ (Barth/Wiehl) erzeugt, von der forschenden Person zum Anlass genommen, eine kurze Textsequenz zu verfassen, die diesen Moment sozusagen einfängt, vergrößert und dem man dadurch schreibend näher kommt. Das Ergebnis dieses künstlerisch-kreativen Prozesses wird durch einen erkenntnisgeleiteten Reflexionsprozess in einem Kreis von Forschenden, die nicht direkt mit dem Projekt befasst sind, auf seinen Sinngehalt hinterfragt. In einem zweiten Schritt setzen sich die forschende Person mit der teilnehmenden Person (der Musiktherapeutin) gemeinsam mit der Wahrnehmungsvignette auseinander: Was beschreibt sie? Was sagt sie über die beteiligten Personen aus? Was erzählt sie über den beobachteten Prozess?
Das Projekt lässt sich vielleicht am besten als gegenseitigen Erschließungsprozess beschreiben, als Geben und Nehmen und Teilhabe am Prozess des gemeinsamen Musizierens. Was zum Glück nicht passiert, ist die Begrenzung von Musik auf die reine Funktionalität in der Erschließung von kommunikationstauglichen Elementen. Im musikalischen Prozess geht es stets auch um die Freude am Gestalten, im Gestalten entsteht Kommunikation. Nun wird es darum gehen, die erarbeiteten Kommunikationsformen alltagstauglich zu machen und den Adepten zu ermöglichen, in ihrer ganz eigenen Art und Weise die Kommunikation mit ihren Mitmenschen zu gestalten.
Kontakt: Christiane Drechsler (Professorin für Heilpädagogik in außerschulischen Handlungsfeldern am Institut für Waldorfpädagogik, Inklusion und Interkulturalität an der Alanus Hochschule in Mannheim, Studiengangsleiterin B. A. Heilpädagogik); christiane.drechsler@alanus.edu
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